
Die Babyboomer-Generation, die bis in die frühe Mitte der 1960er Jahre geboren wurde, spielt eine wesentliche Rolle in der demografischen Entwicklung in Deutschland. Die großen Jahrgänge dieser Generation erreichen in den kommenden Jahren verstärkt das Rentenalter.
Schätzungen zufolge gehen in Deutschland jedes Jahr rund 500.000 bis 700.000 Menschen in Rente.
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Der Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, da viele Unternehmen mit einem signifikanten Verlust erfahrener Fachkräfte konfrontiert werden. Dies führt zu einem verstärkten Fachkräftemangel, insbesondere in bestimmten Branchen und Unternehmen mit noch klassischer Organisationsstruktur.
Das erhöht die Dringlichkeit, geeignete Nachfolger/innen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um den Fachkräftemangel abzumildern, der ohnehin auch aus anderen Entwicklungen her rührt.
Für genauere und aktuelle Zahlen empfehle ich, offizielle Quellen wie die Bundesagentur für Arbeit oder das Statistische Bundesamt zu konsultieren, die regelmäßig Berichte über demografische Entwicklungen und die Rentensituation in Deutschland veröffentlichen.
Wie kann man als Unternehmen der Situation jetzt noch gegensteuern?
Durch die große Anzahl an Stellenprofilen, die ich in den letzten Monaten und Jahren anhand der Briefings mit Hiring-Managern und für CEO's unterschiedlicher Firmen erstellt habe (ca. 1.400), ergab sich bereits früher das Bild einer ersten Antwortmöglichkeit zur aktuellen Thematik und einem immer wieder aufploppenden Schwerpunkt, der die Besetzung stark ausbremst:
Gerade für Angestellte, die nach vielen Jahren und damit oft als Zentrum des Wissenstransfers das Unternehmen verlassen, wird der Vergleich zu neuen Kandidat/innen gezogen. In den meisten Fällen ist Kandidat X natürlich nicht so wie Kandidatin Y, wie denn auch, wenn er nicht 20 Jahre im Unternehmen war und warum muss sie/er denn genauso sein? Gehen Sie neue Wege, mit neuen Menschen und neuen Ideen - sonst kommt da Keiner.
Die Anforderungen an die Nachfolgenden werden zum Teil sehr hoch angesetzt, denkt man dabei immer an die Qualifikationen, die der GF damals bei der Besetzung vorausgesetzt hat und an all die Kompetenzen, die der letzte Langzeitmitarbeiter inne hatte. Da sich jedoch der Markt, die Gesellschaft und ggf. auch die Stelle oder Rolle schrittweise transformiert hat oder sich noch transformieren muss, gilt es nun als unabdingbar, die Stelle anzupassen sowie die Erwartungshaltung an den kommenden Bewerbenden grundlegend zu überdenken.
Es gibt weitere zentrale Punkte, die zur Verbesserung der Situation und zur Anwerbung qualifizierter Fachkräfte berücksichtigt werden sollten:
1. Unrealistische Anforderungsprofile: Häufig sind Stellenanzeigen mit einer Mischung aus Anforderungen formuliert, die in der Praxis für einen einzelnen Kandidaten nicht erfüllbar sind. Dies kann Bewerbende abschrecken, die sich zwar in einigen Bereichen qualifiziert fühlen, aber nicht sämtliche geforderten Qualifikationen oder Erfahrungen mitbringen. Ein klareres, realistisches Anforderungsprofil, das die wesentlichen Fähigkeiten und Erfahrungen hervorhebt, kann dazu beitragen, mehr geeignete Kandidaten zu gewinnen.
2. Wert der beruflichen Erfahrungen: Der Fokus sollte weniger auf absoluten Anforderungen wie bestimmten Abschlüssen oder Zertifikaten liegen sondern vielmehr auf den realen Erfahrungen und den Erfolgen, die eine Person im Verlauf ihrer Karriere erzielt hat. Diese "Achievements" sind oft entscheidend für die Eignung eines Kandidaten, besonders in Bereichen, in denen praktisches Know-how von großer Bedeutung ist.
3. Hürden abbauen: Unternehmen sollten proaktive Maßnahmen ergreifen, um Hürden abzubauen, die qualifizierte Fachkräfte fernhalten könnten. Beispielsweise könnte man flexible Anforderungen formulieren und die Bereitschaft zeigen, auch Kandidaten mit unterschiedlichen Hintergründen oder Karrierewegen zu berücksichtigen. Im Gespräch muss ebenso Platz für eine Potenzialerkennung sein. Denken Sie an die Entwicklungsfähigkeit der Person, die Sie ggf. einstellen werden. Planen Sie nicht zu kurz.
4. Wert von erfahrenen Praktikern: Erfahrung ist in vielen Fällen entscheidend, insbesondere in komplexen rechtlichen oder operativen Fragestellungen, die zügige und korrekte Lösungen benötigen. Oft ist es sinnvoller, erfahrene Fachkräfte zu engagieren, die bereits bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, anspruchsvolle Herausforderungen zu meistern, anstatt in weniger erfahrene Junior-Positionen zu investieren, die möglicherweise teure Fehler verursachen könnten. Ausgehend von Letzterem stellen Sie sich einmal Fehler im Bereich DSGVO der IT vor oder Fehler bei Kündigungsprozessen im HR, die neben Souveränität auch Erfahrung aus vorangegangenen Prozessen als Grundvoraussetzung tragen.
5. Fokus auf Best Practices: Der Fokus auf Best Practices, sowohl in der Rekrutierung als auch im operativen Geschäft, ist entscheidend. Unternehmen sollten darauf abzielen, stimmige und nachhaltige Prozesse zu implementieren, die sowohl die Unternehmensführung als auch die Personalabteilungen stärken. Investieren Sie hierbei auch in externe Hilfe. Der neutrale oder kritische Blick von außen bringt Sie näher an die Umsetzung.
6. Kandidatenfokus im Gespräch: In Bewerbungsgesprächen sollten nicht nur die formalen Qualifikationen im Mittelpunkt stehen sondern auch die konkrete Erfahrung des Bewerbers, insbesondere in Bezug auf vergangene Projekte und Herausforderungen. Dies kann den Unterschied machen, wenn es darum geht, den richtigen Kandidaten für eine Position zu finden. Lassen Sie sich nicht den Lebenslauf mündlich wiederholen, investieren Sie Ihre Energie und Aufmerksamkeit in die Informationen, die zwischen den Zeilen stehen.
Insgesamt wird es entscheidend sein, die Perspektive zu wechseln und die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bewerbenden in den Vordergrund zu stellen, um qualifizierte Fachkräfte für offene Positionen zu gewinnen – besonders in einem Markt, der von Fachkräftemangel durch Abwanderung, Renteneintritt und sinkendem Interesse in bestimmten Fachbereichen geprägt ist.
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